Die Römische Zeit
In unserer Region begann die römische Zeit etwa 58 vor Christus und dauerte bis 476 nach Christus an, also bis zum Ende des weströmischen Reiches, das auch durch eine Völkerwanderung1 ausgelöst wurde. In der gesamten römischen Zeit lebten die Chatten in unserer Gegend. Laut Tacitus waren die Chatten die gefährlichsten Germanen.
Woher die Chatten kamen, ist nicht bekannt, aber neben den Friesen war dieser der einzige Germanenstamm, der noch heute in seinem ursprünglichen Siedlungsgebiet lebt – die Chatten waren (und sind immer noch) sehr bodenständig. Nur der Name hat sich im Laufe der Zeiten etwas gewandelt:
„Chatti“, die Bezeichnung vor der Zeitenwende, mutierte zu „Hatti“ nach der Zeitenwende und später zu „Hazzi“. Um ca. 600 nach Chr. änderte sich der Name zu „Hassi“ und etwa zur Zeit des Bonifatius entstand der Ausdruck „Hessi“.
1 In der historischen Forschung wird unter dem Begriff Völkerwanderung im engeren Sinne die Wanderbewegung vor allem germanischer Gruppen in Mittel- und Südeuropa im Zeitraum vom Einbruch der Hunnen nach Ostmitteleuropa ca. 375/376 bis zum Einfall der Langobarden in Italien 568 verstanden.
Beschreibung der Chatten
30.
Ueber diesen hinaus beginnen die Chatten den Anfang ihrer Sitze von dem Hercynischen Walde (HM: Urwälder der Mittelgebirge) her, in nicht so hingebreiteter und sumpfiger Landschaft, wie die übrigen Staaten, in welche Germanien sich öffnet; denn Hügel dauern fort, werden allmälig seltener, und seine Chatten begleitet zugleich der Hercynische Wald und setzt sie ab. Das Volk hat härtere Körper, straffe Glieder, drohende Miene und größere Lebendigkeit des Geistes. Sie haben, für Germanen, viel Berechnung und Geschick: Erlesene an die Spitze stellen, auf die Vorgesetzten hören, Reih’ und Glied halten, die Gunst des Augenblicks erkennen, den Sturm aufschieben, des Tages verfügen, die Nacht umwallend sichern, das Glück unter Zweifelhaftes zählen, die Tapferkeit unter das Sichere, und, was das Seltenste und nur bei Berechnung wahrer Kriegsordnung möglich, mehr auf den Führer geben, als auf das Heer. Ihre ganze Stärke ist im Fußvolk, welches außer den Waffen auch mit Eisengeräth und Mundvorrath belastet wird. Andere sieht, man in’s Treffen ziehen, die Chatten zum Kriege: selten sind Streifzüge und zufälliges Gefecht. Den Reiterstreitkräften allerdings ist das eigen, rasch den Sieg gewinnen, rasch zu weichen; doch steht die Hurtigkeit neben der Furcht, das Zaudern naher bei der Festigkeit.
31.
Was auch andern Völkern der Germanen bei seltener und besonderer Muthigkeit des Einzelnen im Gebrauche ist, das ward den Chatten zur Uebereinstimmung: sobald sie Jünglinge sind, Haupthaar und Bart wachsen zu lassen, und erst, wenn ein Feind erschlagen, die angelobte und der Tapferkeit verpflichtete Kopftracht abzulegen. Ueber Blut und Todesbeute gestellt, lichten sie die Stirne, und dann erst, meint man, haben sie den Lohn für die Geburt entrichtet, würdig des Vaterlandes und der Eltern. Feigen und Unkriegerischen bleibt der Wust. Die Allertapfersten tragen überdieß einen eisernen Ring (weil dieß etwas Schimpfliches ist in des Volkes Augen), gleichsam eine Fessel, bis man sich durch eines Feindes Tödtung davon befreit. Vielen der Chatten gefällt für immer diese Tracht, und selbst grau sind sie also gezeichnet, den Feinden zugleich und den Ihrigen gewiesen. Bei diesen steht der Anfang aller Schlachten; dieß stets das Vordertreffen, erschütternd für den Blick. Denn nicht einmal im Frieden werden sie milderen Antlitzes zahm. Keiner hat Haus oder Feld oder irgend ein Geschäft; wie sie eben zu Andern kommen, werden sie ernährt, reich lebend von Fremdem, des Eigens Verächter, bis greisen Alters Erschöpfung sie für solch’ harte Mannhaftigkeit unfähig macht.1
1 Baumstark Anton (1876): „Germania des Tacitus“; Kapitel 30. und 31.; Deutsche Übersetzung
Die Bataver
Zu den Chatten (Hessen) gehörten auch die Matiaker und die Bataver, wobei die Bataver zu ihrer Zeit als sehr gute Reiter bekannt waren. Zu den Batavern sei noch aufgeführt, dass sich diese durch eine stammesinterne Fehde von den Chatten trennten und um 50 vor Chr. an der Rheinmündung in der römischen Provinz Belgica ansiedelten. Sie waren ab 12 vor Chr. treue Untertanen der Römer und gingen im 4. Jahrhundert im Reich der Franken auf.
In der Römerzeit entstand die Civitas Batavorum, das heutige Nimwegen; auch war Batavia ein früherer lateinischer Name für die heutigen Niederlande. Man kann also behaupten, dass die Holländer auch so ein bisschen Hessen sind.
Die Schlacht im Teutoburger Wald
Die nördlichen Nachbarn der Chatten waren die Cherusker und deren Fürst Arminius hat mit Hilfe seiner germanischen Nachbarn um 9 nach Christus die römischen Legionen unter Varius im Teutoburger Wald besiegt. Die Chatten haben zusammen mit den Cheruskern gegen die Römer gekämpft – wahrscheinlich waren auch Ottrauer daran beteiligt.
Die Götter der Germanen
Die wichtigsten Götter der Germanen heißen Odin und Donar. Der Hauptgott war der Sturmgott Odin – in anderen Regionen auch Wodan genannt. Dieser Gott wird als einäugig beschrieben und hat damit das gleiche Merkmal wie „Lug“, der Hauptgott der Kelten.
Die Gemahlin des Sturmgottes Wodan trug den Namen Freia: Freia war die Namensgeberin für den Wochentag Freitag. Je nach Region hatte Freia auch den Namen Holle, auch Holda (die Huldvolle) bzw. Berchta (die Glänzende).
Der Donnergott der Germanen war Donar (hiervon leitet sich der Wochentag Donnerstag ab), auch Thor genannt.
Die Göttin Berchta und der Bechtelsberg
Berchte
„(auch Berchta, Berhta, Perchte, Perchtha, ahd. Perahta, „die leuchtende”, „glänzende”, schweiz. Berchtli, Bechtli, Bechteli) Diese Göttin ist ganz ähnlich gedacht wie die Holda, wenn sie nicht beide einerlei sind. Frau Berchte »erscheint (…) in den oberdeutschen Gegenden, wo jene Holda aufhört, in Schwaben, im Elsas, in der Schweiz, in Baiern und Österreich« (Grimm, Deutsche Mythologie, Bd. I.), in Teilen Frankens und Thüringens kennt man Berchta und Holda nebeneinander bzw. hier ist die Grenze zwischen beiden.“1
1 Zompro, Andreas: Berchta in: dasschwarzenetz.de.
Berchta
„(althochd. Perahta, die „Glänzende“), nach süddeutschem Volksglauben ursprünglich die himmlische Sonnen- und Regenspendende Wolkenfrau, des Sturmgottes Wodan Gemahlin (also eine Gestalt oder Erscheinungsform der Freia) und so auch an der Gewitterjagd teilnehmend und in grausiger Gestalt auftretend. Selbst Spinnerin, wie Frau Holda (ein anderer Name der Freia), schützt sie die entsprechende weibliche Arbeit, und als Herrin über Wolken und Wind fördert sie das Gedeihen der Früchte.
In der Sage erscheint sie öfters als Ahnmutter berühmter Geschlechter, so auch in der Karolingersage, wo ihr als Wahrzeichen ein eigentümlich großer Fuß (wohl der Schwanenfuß der Freia) beigelegt wird. Wie Frau Holda hütet sie die Seelen aller ungeborenen, d.h. ungetauft verstorbenen Kinder (in Thüringen Heimchen, anderwärts Wichtlein genannt), zieht mit ihnen von Land zu Land, setzt mit ihnen über Ströme und nimmt bald in einem Berg, bald in einer Grotte, bald im Wasser eines Teiches oder Brunnens (was ursprünglich alles auf die himmlische Szenerie der Wolkenberge etc. geht) ihren Aufenthalt.
Zur Zeit der Wintersonnenwende feiert man ihren wie ihres Gemahls Wodan festlichen Umzug durch das Land, weshalb sie nach dem Glauben des Volkes um Weihnachten noch immer entweder als wilde Wolkenjägerin erscheint, die nachsieht, ob die Mägde ihren Flachs abgesponnen haben, oder sich als Mutter der Heimchen mit ihrem Pflug sehen lässt, oder als grauköpfige Alte mit großer Nase und langen Zähnen artigen Kindern Geschenke bringt, ungehorsamen aber den Leib aufschneidet, um ihn mit Häckerlein zu füllen, etc. Ihr Tag ist bald der 30. Dezember, bald der 2. oder 6. Januar, an welchem eine stehende Festspeise (Fische und Klöße) genossen werden muss.“1
1 Meyers Konversationslexikon (1882-1892): Band 2; Vierte Auflage, Leipzig/Wien; Seite 712 und 713.
Der hessische Blocksberg
„Im Süden des Kreises Ziegenhain erhebt sich bei Ottrau der Bechtelsberg bis zu einer Höhe von 472 m empor. An seinem Abhang wachsen mancherlei Heilkräuter, die zu Himmelfahrt gesammelt werden. Der Gipfel des Bechtelsberges heißt Rumpelskuppe, ein Name, welcher dem ungeheuren, donnerähnlichen Getöse seine Entstehung zu danken haben mag, das zum Schrecken und Entsetzen der Menschen und des Viehes mitunter oben auf dem Berg gehört worden sein soll.
Dieses Gepolter wird von Ohrenzeugen mit dem Toben und Brausen eines schrecklichen Sturmes verglichen. Kurz vor dem Ausbruch will man in der Nähe des Berges eine schwarze Gestalt, auch wohl eine fein gekleidete Jungfrau gesehen haben.
Nahe der Rumpelskuppe befindet sich eine kesselförmige Vertiefung, die Hexenkaute, auch Silberkaute genannt. Hier wird am 1. Mai in der Mitternacht großes Gastgebot und Hexentanz gehalten. Der Meister führt strenge Aufsicht über Musik und Tanz. Wer z. B. um eine Viertelstunde zu spät erscheint, beim Tanz einen Fehltritt tut usw., bekommt zur großen Belustigung aller Gäste eine gewisse Anzahl Besenhiebe. Die Tracht der Teilnehmer besteht in einem langen schwarzen Kleid mit einem Strohgürtel und einer Haube, unter welcher ein langer Haarzopf herabfällt. Es wird getanzt, gesungen, gelärmt und allerhand Unfug getrieben, zuletzt der Rest der Mahlzeit für die Rückreise eingepackt und, nach gegenseitigem Anwünschen eines fröhlichen Wiedersehens für das nächste Jahr, auf stumpfen Besen und Hähnen pfeilschnell wieder weggeritten.
Die Hexen kommen stets an solchen Orten zusammen, an denen in altgermanischer Zeit Gericht gehalten und geopfert wurde; auf dem Bechtelsberg aber war eine alte Ziegenhainische Gerichtsstätte.“1
1 Vgl. Heßler, Carl (1928): Hessischer Sagenkranz – Sagen aus Kurhessen; 4. Aufl. Kassel (Carl Vietor), Nr. 77, S. 97f. und Schneider, Emil (1905): Hessisches Sagenbüchlein., in Heun, W./Obermann, H. (hrsg.) (1958): Hessisches Sagenbuch; Marburg; S. 29f.
Walpurgisnacht – Die Hexen vom Bechtelsberg
„Zu Walpurgis zünden die jungen Burschen aus Berfa auf dem Bechtelsberg einen großen aufgestapelten Holzstoß an, der in heutiger Zeit als Maifeuer bezeichnet wird. Dieses Brauchtum des Maifeuers hat seinen Ursprung in heidnischer Zeit. Der Bechtelsberg war einst ein heiliger Berg, eine Kultstätte. Hier verehrten unsere Vorfahren in vorchristlicher Zeit die Göttin Berchta, die nach Ansicht der deutschen Altertumskunde eine Art Frau Holle war. Sie war die Führerin der Berchten, d. h. der Verborgenen, im Schoß der Erde lebenden Seelen der Toten. Mit den Seelen verstorbener Kinder fuhr sie in den zwölf heiligen Nächten, vom 25. Dezember bis zum 6. Januar – dem Berchtenabend – mit großem Ungestüm durch die Lüfte und es hieß dann, die wilde Berchta zeige sich wieder. In dieser Zeit besuchte sie auch die Spinnstuben und bestrafte die faulen Spinnerinnen. Doch hatte Berchta auch eine freundliche Seite. Sie war die Göttin der Fruchtbarkeit, ließ die Ackerfrüchte und das Vieh gedeihen. Wenn der Nebel durch Feld und Flur zog, so glaubten die Menschen, Frau Berchta im langen weißen Schleier über die Erde schweben zu sehen. Dieser Göttin diente das Volk der Umgebung. An sie richteten unsere Vorfahren ihre Gebete, ihr brachten sie ihre Opfer, auf ihre Hilfe und Zuneigung hofften sie.
Ihre Wohnung war im Inneren des Berges, der Ein- und Ausgang zu ihrem unterirdischen Schlosse eine trichterförmige Vertiefung auf der höchsten Erhebung des Berges, die heute in der Bevölkerung als Hexenkaute bekannt ist. Auf dem nahe gelegenen Basaltkegel – der Rumpelskuppe – glaubte man das unterirdische Treiben mit Getöse und Donnergrollen aus der Tiefe des Berges herauf dringen zu hören. Die Wallfahrten der Frauen aus der Umgebung zum heiligen Berg fanden mit der Einführung des christlichen Glaubens ihr Ende. Nach der Christianisierung wurde die Berchta als Hexe verdammt und der Eingang zu ihrem Schloss zur Hexenkaute umbenannt. Dort versammeln sich zu Walpurgis – so erzählt die Sage – die Hexen aus den umliegenden Orten auf dem Bechtelsberg, um mit ihrem Meister – dem mit dem Pferdefuß – zu feiern. Punkt zwölf Uhr kommen sie auf einem stumpfen Besen oder auf einem schwarzen Hahn mit ohrenbetäubendem Lärm durch die Luft geritten, um mit dem Teufel zu tanzen, zu lärmen und allerlei Unfug zu treiben. Wer zu spät erscheint oder beim Tanzen einen Fehltritt macht, erhält eine kräftige Portion Besenhiebe. Dazu stimmen alle Versammelten ein höllisches Gelächter an. Es wird getanzt bis zur Erschöpfung. Der Meister hat inzwischen eine Mahlzeit zubereitet. Was davon übrig bleibt, wird als Wegzehrung für die Heimfahrt eingepackt. Alle Teilnehmer wünschen sich ein fröhliches Wiedersehen im nächsten Jahr und dann verschwindet der ganze Hexenspuk wieder durch die Luft. So feiern die Hexen die Walpurgisnacht auf dem hessischen Blocksberg bei Berfa1.
Die Frau des Schmiedes
Die Geschichte dieser Frau aus Berfa, die eine Hexe war, erzählt ebenfalls von dem Treiben zu Walpurgis. Der Schmied, der von der unheimlichen Verwandlung seiner Frau zu besagter Stunde wusste, versuchte, sie von der Zusammenkunft mit den bösen Gesellen abzuhalten. Er ging am späten Abend noch in die Schmiede zum Arbeiten und ließ seine Frau den Blasebalg ziehen, um das Schmiedefeuer am Brennen zu halten. Als die Turmuhr zwölf schlug, stand statt seinem Weib ein Bündel Stroh da. Wutentbrannt hielt er das glühende Eisen daran, doch er besann sich rasch und löschte das brennende Stroh schnell wieder. Am nächsten Morgen lag seine Frau jammernd im Bett und hatte nur noch einen Arm. So wie in dieser Geschichte leben noch heute Motive aus vorchristlicher Zeit in Form von Sagen und Bräuchen weiter. Der Aberglaube war bei den Menschen in den Ortschaften um den Bechtelsberg besonders tief verwurzelt. So durfte man auf Walpurgis keine Feldarbeit verrichten, ebenfalls kein Brot backen, da sonst das Glück und der Segen verwehrt blieben. Der sagenumwobene Bechtelsberg galt für den bekannten hessischen Geschichtsschreiber Landau als der hessische Blocksberg. Ein alter Brauch, das Hexenschnappen zu Walpurgis, hatte sich in Berfa noch bis zum Zweiten Weltkrieg erhalten. Die jungen Männer zogen mit kräftigem Peitschenknall durch den Ort und deuteten damit die Vertreibung von Hexen und bösen Geistern an. Das heidnische Treiben wurde von der Kirche scharf verurteilt. So geht aus einer Kirchenrechnung vor 300 Jahren hervor, dass einige Burschen aus einem Nachbardorf mit einer Geldstrafe belegt wurden, weil sie an Walpurgis, es war an einem Sonntagabend, mit Geiselplatzen einem fremden Gott einem Dienst erwiesen hätten. Die Strafe beruhte auf der Ref. Ord. von 1956 Nach Kapitel 8, §5 sind »alle leichfertige Üppigkeiten, so nach heidnischer Weise zu Fastnacht, Walpurgis, Pfingsten, Johannistag und anderer Zeit, mehr durchs Jahr vom gemeinen Mann geübt und vorgenommen worden«, streng verboten.
Doch Strafen und strenge Verordnungen haben den alten Brauch nicht ausrotten können, der ehemals Verehrung und Huldigung der heiligen Berchta war und erst in christlicher Zeit als Hexenaustreibung interpretiert wurde. In heutiger Zeit gehen viele alte Sitten, Bräuche und Überlieferungen verloren oder laufen Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. So ist es erfreulich, dass einige dieser alten Sitten von der jungen Generation weiter gepflegt werden, wenn auch für sie der Ursprung und die Quelle im Dunkel liegen.
Wie die Bezeichnung Walpurgisnacht entstand
In der Nacht zum 1. Mai fliegen die Hexen zum Blocksberg, um mit Geistern und Teufeln zu feiern und Menschen zu verzaubern. In dieser Zeit soll es für Geister und Elfen besonders leicht sein, aus ihrer Sphäre in die Welt der Menschen zu dringen. Schon die Germanen hießen den Frühling beim Beltane – Fest mit Freudeneuern, Liedern und Tänzen willkommen und besuchten die Hagszissen, die weißen Frauen, die in heiligen Hainen (germanisch Hag) saßen, um sie nach der Zukunft zu befragen. Mit Beginn der Christianisierung war es mit derart heidnischem Tun natürlich vorbei. Allerdings wollte der Volksglaube von seinem Frühlingsfest nicht lassen. Deshalb deutete die Kirche die Freudenfeiern zu Treffen finsterer Mächte um. Aus den guten Geistern der Kelten, wie aus den germanischen Hagszissen machte die Kirche die Hexen, denen fortan nachgesagt wurde, nur bösen Zauber zu treiben und mit dem Teufel im Bunde zu sein. Zum Schutz vor ihnen bot die Kirche die am 1. Mai heilig gesprochene Walpurga an, nach der die Walpurgisnacht ihren Namen hat. Was die Hexen bei ihren geheimen Treffen wohl trieben, stachelte fortan die Fantasie der Menschen an. Beichtbücher, Dichtung und Holzschnitte malen sich seit dem Mittelalter aus, wie zügellos wilde Weiber vorzugsweise in Wäldern und auf den Bergen beim Tanz um das Walpurgisfeuer des Teufels Hintern küssen, den Besen verführerisch zwischen die nackten Schenkel geklemmt. Zugleich fürchtet man die magischen Kräfte, eine Furcht, die letztlich die grausamen Hexenverfolgungen nach sich zog. Trotzdem wurde in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai weiter um das Feuer getanzt – nur galt dies jetzt als Abwehrmaßnahme gegen die Hexen.
Walpurga, die Namenspatronin der Walpurgisnacht, war Missionarin, Äbtissin und eine gelehrte Frau. Um 710 in England geboren, wirkte sie vor allem im heidnischen Deutschland. Um 779 starb Walpurga, die in ihrem Leben einige Wunder vollbracht haben soll. Mit Hexen hatte Walpurga zu Lebzeiten nie etwas zu schaffen. Erst als sie am 1. Mai 867 von Papst Hadrian II. heilig gesprochen wurde, verquickte sich der Volksglaube mit Walpurgas Wundertaten und schließlich erhielt die Nacht auf den 1. Mai den Namen Walpurgisnacht.“2
Vulkanausbruch am Bechtelsberg
„Sandsteinbrüche und Sandgruben
Auf der Nordseite des Bechtelsberges, an der Gemarkungsgrenze nach Ottrau, befanden sich die Gemeindesandgrube und ein Steinbruch. Die Ausbeute war nicht sehr groß, zumal sich auch Tonablagerungen zwischen Sand und Stein befanden. Daher wühlte jeder nach eigenem Gutdünken und ohne System in dem „Loch“ herum. Hans Falk zerkleinerte bis zur Stilllegung mit einer Steinmühle die Erdmassen. Danach diente die Grube als Müllablageplatz. Nach der Eingemeindung Berfas in die Stadt Alsfeld wurde die wilde, unkontrollierte Müllablagerung untersagt, da der Platz vom Ort aus nicht einsehbar war und von Auswärtigen hier verbotene Gegenstände und Materialien deponiert wurden. Beim Bau der Autobahnraststätte konnte der Erdaushub zur Abdeckung des Mülls verwendet werden. Da vorher auch eine Menge Gras und andere organische Abfälle dort gelagert worden waren, entstanden Gase. Als ich eines Tages an der Stelle vorbei kam, sah ich Rauch aus den Erdrissen, des aufgefüllten Bodens steigen. Ich erlaubte mir den Spaß mit der Stadtverwaltung, indem ich das Stadtbauamt alarmierte: »Kommt schnell nach Berf, der Vulkan auf dem Bechtelsberg spukt wieder, ich glaub´ wir müssen das Dorf evakuieren!« Zwei Sachbearbeiter waren auch kurze Zeit später da und prüften die „Gefahrenlage“. Schnell war man jedoch davon überzeugt, dass ein Vulkanausbruch nicht unmittelbar bevorstand…“1
1 Kaufmann, Konrad (o.J.): „Alsfeld und seine Stadtteile“; Band 12: Alsfeld-Berfa, S. 142f.
Der Sebbel
„Ottrau war Hauptort einer Hundertschaft (Aufgebotsbezirk für wehrfähige Männer) und hatte auf dem „Sibile“ (heute Sebbel) eine Gerichtstätte.“1
„Der Sebbel (1380 Sibel) trägt offenbar den Namen eines ehemaligen Besitzers namens Sigbald.“2 Es gibt auch Vermutungen, dass der Name „Sebbel“ von dem Wort Sibyllen = Seherinnen bei den Germanen abgeleitet wurde. Was bei den Kelten die Druiden waren, waren bei den Germanen die Seherinnen.
„Wie zuweilen Glockengeläute aus weiter Ferne her über Wald und Feld an unser Ohr dringt, so hat sich durch zwölf Jahrhunderte von einem Geschlecht zum anderen die Sage fortgepflanzt, dass Winfried Bonifatius, der berühmte Apostel der Deutschen, der Apostel der Ottrauer insbesondere sei. Auf der Bonifatiuswiese am Sebbelwalde soll er im Schatten einer Eiche, der im Jahre 1885 leider gefällten Bonifatiuseiche, gepredigt haben.“3
An gleicher Stelle, in der Nähe des Bahnhofs von Ottrau, wurden, nach der Herausgabe von Wilhelm Wagners „Geschichte von Ottrau und Kleinropperhausen“ und noch vor dem 1. Weltkrieg, zwei neue Eichen gepflanzt, wobei der obere der beiden Bäume erfolgreich in den Baumstumpf einer der früheren gefällten (Bonifatius-)Eichen eingesetzt wurde.